Die Finanzierung des Gesamtprojekts ist ein komplexes Geflecht aus Landesmitteln, Bundesförderungen und den einkommensabhängigen Selbstbehalten der Nutzer. Wie auf offenevergaben.at öffentlich ersichtlich ist, betragen alleine die Betriebskosten 160 Millionen Euro. Es ist jedoch essenziell festzuhalten, dass diese Summe nicht die gesamten Projektkosten darstellt, da sie die initialen Bau- und Infrastrukturkosten nicht umfasst. Zum Beispiel kostete allein der Bau des Pflegestützpunktes in Stinatz 2,8 Millionen Euro. Der finanzielle Aufwand für die Steuerzahler ist daher als die Summe der einmaligen Investitionen in die Gebäude und der langfristigen Betriebskosten zu verstehen. Das Personal welches für den Betrieb notwendig ist, wird hier nicht angesprochen, dass ist eine andere Geschichte.
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Screenshot https://offenevergaben.at
Die Tabelle verdeutlicht eine dauerhafte finanzielle Verpflichtung des Landes, die sich über die Laufzeit der Verträge erstreckt und die öffentliche Haushalte kontinuierlich belasten wird. Im Detail ist in der Ausschreibung auf offenevergaben.at zu lesen:
„Abschluss von Betriebsführungsverträgen für die Betriebsführung (Erbringung der Pflegedienstleistungen und der mobilen Pflege und Betreuung) der zu errichtenden Pflegestützpunkte im Burgenland, aufgeteilt auf 28 Regionen (ausschreibungsgegenständlich 24 Regionen in 24 Losen).“
Gesamtsumme der Betriebsführung: 160.419.524,-
Es handelt sich dabei um die Betriebskosten, die das Land Burgenland im Rahmen der Verträge mit den angeführten Trägerorganisationen aufwendet. Quelle: https://offenevergaben.at
Umsetzung erfolgt in einem gestaffelten Zeitplan
Während Pilotstandorte wie Schattendorf und Stinatz bereits in Betrieb genommen wurden, befinden sich zahlreiche weitere der insgesamt 71 geplanten Stützpunkte in verschiedenen Stadien der Umsetzung, von der Bauphase bis zur Planung. Die Fertigstellung der gesamten Infrastruktur ist über das ursprünglich kommunizierte Datum hinaus bis mindestens 2026 terminiert. Politisch wird das Modell von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Soziallandesrat Dr. Leonhard Schneemann als „Meilenstein“ und „sozialpolitische Revolution“ positioniert, die sich klar gegen eine gewinnorientierte Pflege wendet.
Gemeinnützigkeitsprinzip keine Profitmaximierung
Das Pflegestützpunkte-Modell ist der zentrale Pfeiler einer umfassenden Pflegereform im Burgenland. Das Bundesland wurde im Rahmen dieses Konzepts in 28 Pflegeregionen unterteilt, die jeweils eine Zielgröße von 8.000 bis 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aufweisen. Diese Struktur soll durch die Errichtung von insgesamt 71 Stützpunkten, die sich in 28 Haupt- und 43 Nebenstützpunkte gliedern, eine bedürfnisorientierte und gemeindenahe Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.
Die strategische Neuausrichtung umfasst auch die rechtliche Verankerung des Gemeinnützigkeitsprinzips. Mit einer Novelle des Sozialeinrichtungsgesetzes müssen alle Pflegebetriebe im Land bis Ende 2026 nachweisen, dass sie gemeinnützig geführt werden, andernfalls droht der Entzug von Landesförderungen. Dieses Prinzip soll sicherstellen, dass öffentliche Mittel, die für die Pflege bestimmt sind, ausschließlich für diesen Zweck verwendet werden und nicht der Profitmaximierung dienen.
Als zentrale Grundlage wird eine Studie des Entwicklungs- und Planungsinstituts für Gesundheit (EPIG) genannt, welche die „IST-Situation“ der mobilen Pflege im Burgenland untersucht hat. Diese Analyse diente als Ausgangspunkt für die strategischen Überlegungen zur Standortallokation und zur Neuorganisation der mobilen Pflege. Die Landesregierung beruft sich auf diese wissenschaftliche Arbeit, um die Aufteilung in die 28 Regionen und 71 Standorte zu rechtfertigen.
LR Schneemann informiert bei Infoveranstaltungen zu den 71 Pflegestützpunkten über innovatives Betreuungsmodell
Doskozil bekennt sich zum „Zukunftsplan Pflege“
Doskozil vertritt die klare Haltung, dass Pflege keine rein wirtschaftliche Angelegenheit, sondern eine grundlegende „gesellschaftliche Verantwortung“ sei. Er wendet sich explizit gegen eine gewinnorientierte Pflege und betont, dass Steuergelder für das Gemeinwohl und nicht für private Konzerngewinne eingesetzt werden müssen. Sein Bekenntnis zum Pflegesektor ist Teil eines umfassenderen „Zukunftsplans Pflege“. Die Verknüpfung des Pflegestützpunkte-Projekts mit dem Anstellungsmodell für Angehörige, das er als „sozialpolitische Revolution“ bezeichnete, unterstreicht die Kohärenz seiner Vision für das Gesundheits- und Sozialwesen im Burgenland. Doskozil betont, dass die Pflege im ländlichen Raum „kleinteilig und damit auch persönlicher sein muss“ und mahnt an, dass es an der Zeit sei, „vom Reden ins Tun zu kommen“, um die Herausforderungen in der Pflegeversorgung anzugehen.
Kritik kommt von ÖVP Bürgermeistern
Trotz der positiven politischen Kommunikation steht das Pflegestützpunkte-Modell auch in der Kritik. Die Standortauswahl, die offiziell auf der EPIG-Studie basiert, wird von manchen Gemeinden und der Opposition infrage gestellt. So kritisiert beispielsweise der ÖVP-Bürgermeister von Jois, Hannes Steurer, dass die Gemeinde, obwohl sie alle Kriterien erfülle, keinen Stützpunkt erhalte. Er und sein Gemeindevorstand Sascha Krikler vermuten, dass die Standortvergabe politisch motiviert sei und SPÖ-geführte Gemeinden bevorzugt würden. Das Büro von Landesrat Schneemann entgegnet dieser Kritik, dass die Standorte auf Basis der wissenschaftlichen Studie fixiert seien. Der Hornsteiner Bürgermeister Christoph Wolf (ÖVP) äußerte ebenfalls Unmut über das „ignorante Verhalten“ des Landesratsbüros. Er beklagt nicht eingehaltene „mündliche Zusagen“ für eine Betreuungseinrichtung in Hornstein und kritisiert die fehlende schriftliche Kooperationsvereinbarung. Die politischen Auseinandersetzungen verdeutlichen, dass die Pflegereform nicht nur ein Sach-, sondern auch ein Machtthema ist. Die Diskrepanz zwischen der offiziellen, wissenschaftlich begründeten Planung und der politischen Wahrnehmung auf kommunaler Ebene legt nahe, dass die Umsetzung eines solchen Großprojekts im politischen Alltag auf Widerstände stoßen kann, insbesondere wenn finanzielle Mittel und Infrastruktur neu verteilt werden. Die Auseinandersetzung um die Standorte ist somit ein Beispiel für die Spannung zwischen einer rationalen, zentral geplanten Reform und den lokalpolitischen Interessen und Erwartungen.
Umsetzung schreitet nur schrittweise voran
Der erste Pilotstützpunkt in Schattendorf ist bereits in Betrieb. Im Dezember 2024 wurde der zweite Standort in Stinatz eröffnet. Hierbei ist anzumerken, dass der Bau des Stützpunktes bereits Ende November 2023 abgeschlossen war, das Gebäude jedoch über ein Jahr leer stand, bevor der Betrieb aufgenommen wurde. Derzeit sind 20 der insgesamt 71 geplanten Stützpunkte zumindest in der Umsetzung gestartet. Für eine Reihe von Standorten gibt es konkrete Zeitpläne:
● Fertigstellung Q2 2025: Deutsch Jahrndorf 6
● Fertigstellung Q3 2025: Minihof-Liebau, Grafenschachen, Unterkohlstätten und Müllendorf 6
● Fertigstellung Q2 2026 (in Planung): Trausdorf 6
● Fertigstellung Q3 2026 (in Planung): Weiden am See, Rohrbach 6
● Fertigstellung Q4 2026 (in Planung): Stadtschlaining 6
Zeitliche Meilensteine und Verzögerungen
Der Zeitplan des Pflegestützpunkte-Projekts hat sich seit seiner ursprünglichen Ankündigung verschoben. Ursprünglich wurde kommuniziert, dass das Modell bis 2024 im gesamten Burgenland flächendeckend laufen soll. Die nun vorliegenden Daten, die Fertigstellungen bis mindestens Ende 2026 vorsehen, weisen auf signifikante Verzögerungen hin. Der einjährige Leerstand des Stützpunktes in Stinatz vor seiner Eröffnung ist ein markantes Beispiel für die Komplexität der Umsetzung. Dies könnte auf einen Mangel an Koordination zwischen den Bauphasen und den organisatorischen Vorbereitungen für den Betrieb zurückzuführen sein. Das Land hat für die verbleibenden Regionen, deren Betriebe erst ab April 2026 umgestellt werden, eine Interimsphase angekündigt, um einen reibungslosen Übergang der Betreuung zu gewährleisten. Dies deutet auf einen pragmatischen Ansatz hin, der die inhärenten logistischen Herausforderungen eines so umfangreichen Infrastrukturprojekts anerkennt. Die sukzessive Umsetzung könnte zudem als eine Methode dienen, aus den Erfahrungen der Pilotstandorte zu lernen und den Rollout-Prozess anzupassen. Die Diskrepanz zwischen dem ambitionierten ursprünglichen Zeitplan und der tatsächlichen Umsetzung spiegelt die Komplexität wider, die mit dem Aufbau einer komplett neuen, flächendeckenden Infrastruktur verbunden ist.
Trägerorganisationen und Ausschreibungsverfahren
Die Betriebsführung der Pflegestützpunkte wurde in einem EU-weiten Vergabeverfahren ausgeschrieben. Laut Landesrat Schneemann wurde der Prozess von beauftragten Rechtsexperten und einer unabhängigen Expertenkommission durchgeführt, wobei die Entscheidungen auf Basis von Fakten und Kennzahlen getroffen wurden. Die 28 Pflegeregionen wurden an sechs Trägerorganisationen vergeben. Die Landestochter Soziale Dienste Burgenland GmbH betreibt vier Regionen, die nicht ausgeschrieben wurden. Die verbleibenden 24 Regionen wurden wie folgt verteilt:
● Volkshilfe Burgenland: 9 Regionen (ca. 32% aller Regionen)
● Hilfswerk Burgenland: 5 Regionen (ca. 18%)
● Caritas Burgenland: 4 Regionen (ca. 14%)
● Rotes Kreuz Burgenland: 4 Regionen (ca. 14%)
● Diakonie Burgenland: 2 Regionen (ca. 7%)
Karte_Pflegeregionen_Burgenland_Traeger
Der Zeitplan, der ursprünglich eine flächendeckende Umsetzung bis 2024 vorsah, ist signifikant verzögert, was auf die Komplexität der Bau- und Organisationsprozesse hinweist. Politische Kontroversen um die Standortauswahl und die Kritik von Oppositionsparteien unterstreichen die Tatsache, dass eine solche umfassende Reform nicht ohne politische Spannungen umgesetzt werden kann. Die Diskrepanz zwischen der wissenschaftlich begründeten Planung und den lokalen Interessen auf Gemeindeebene zeigt, wie schwierig es ist, ein einheitliches Konzept in einer vielfältigen Region umzusetzen. Für die Zukunft wird die tatsächliche Wirkung der Pflegestützpunkte auf die Versorgungssituation entscheidend sein. Es bleibt abzuwarten, wie das Land die verbleibenden 51 Stützpunkte umsetzen wird und ob das neue System tatsächlich in der Lage ist, die 24-Stunden-Betreuung nachhaltig zu reduzieren und die Versorgungslücken zu schließen. Die finanzielle Belastung für die Steuerzahler, die sich aus den langfristigen Betriebskosten und den Investitionen in die Infrastruktur ergibt, ist eine dauerhafte Verpflichtung des Landes. Die burgenländische Pflegereform ist ein bemerkenswertes Experiment im österreichischen Sozialsystem, dessen Erfolg davon abhängen wird, inwieweit es die hochgesteckten Ziele in der Praxis erfüllen und die anstehenden Herausforderungen bewältigen kann.
Quellen
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https://fhburgenland.contentdm.oclc.org/digital/api/collection/p15425dc/id/184907/download
2. Neue Pflegestützpunkte garantieren Versorgungssicherheit im gesamten Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
3. Betriebskostentabelle.pdf
4. Pflegestützpunkte – Pflege & Soziales Burgenland, Zugriff am September 16,2025,
https://www.soziale-dienste-burgenland.at/pflegestuetzpunkte/pflegestuetzpunk
5. Pflegereformpakete I-III – Sozialministerium, Zugriff am September 16, 2025,
https://www.sozialministerium.gv.at/Themen/Pflege/Pflegereform.html
6. SOWO – So Wohnt Burgenland: Leistbares Wohnen in Stuben, Zugriff am September 16, 2025,
https://www.sowohntburgenland.at/pflegestuetzpunkte/
7. Pflegestützpunkt in Stinatz eröffnet – Landesholding Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
https://www.landesholding-burgenland.at/news/artikel/pflegestuetzpunkt-in-stinatz-eroeffnet/
8. Pflegemodell Burgenland: 70 zentrale Stützpunkte in 28 Regionen – Schnappen.at, Zugriff am September 16, 2025,
9. Tag der Pflege: Im Burgenland steht der Mensch im Mittelpunkt – nicht der Profit, Zugriff am September 16, 2025,
10. Neue Wege für die Pflege – Soziale Dienste Burgenland, Zugriff am September 16,
2025, https://www.soziale-dienste-burgenland.at/neue-wege-fuer-die-pflege/
11. Wirbel um Standorte – Kritik an Verteilung: Jois will auch Stützpunkt | krone.at, Zugriff am September 16, 2025, https://www.krone.at/3863456
12. Kommune übt Kritik – Streit um Pflegestützpunkte geht in nächste Runde – Kronen Zeitung, Zugriff am September 16, 2025, https://www.krone.at/3830878
13. LH Doskozil bei Parlamentarischer Enquete zur Zukunft der Pflege und gesundes Altern – Land Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
14. Landesrat – Landtag Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
15. EABA – Forschung Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
https://forschung.hochschule-burgenland.at/projekte/projekt/eaba/
16. Burgenländisches Pflegemodell als Vorreiter: Im Burgenland steht die Pflege ganz oben – APA-OTS, Zugriff am September 16, 2025,
17. Neue Ausschreibung für Pflegestützpunkte gestartet – Land Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
18. Pflegestützpunkte fixiert: Wohnortnah, effizient und serviceorientiert – Land Burgenland, Zugriff am September 16, 2025
https://www.burgenland.at/news-detail/pflegestuetzpunkte-fixiert-wohnortnah-effizient-und-serviceorientiert/
19. Anstellungsmodell für betreuende Angehörige wird ausgeweitet – Pflege & Soziales Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
20. LAND BURGENLAND, Zugriff am September 16, 2025,
21. Bau der Pflegestützpunkte schreitet voran – Landesholding Burgenland, Zugriff am September 16, 2025,
https://www.landesholding-burgenland.at/news/artikel/bau-der-pflegestuetzpunkte-schreitet-voran/
22. Meilenstein bei Vorreitermodell: Ausschreibung der Pflegeregionen …, Zugriff am September 16, 2025,
23. Eröffnung: Landes-Pflegestützpunkt Stinatz in Betrieb gegangen – Güssing -MeinBezirk.at, Zugriff am September 16, 2025,
24. Nachbarschaftshilfe Plus: Sieben burgenländische Gemeinden bleiben dabei, Zugriff am September 16, 2025,
Für alle betroffenen Firmen, Institutionen, Personen und Verantwortlichen wie Zuständigen gilt die Unschuldsvermutung. (hu) ++ende++
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Herbert Unger – freier Journalist bei bkftv.at herbert.unger@bkftv.at oder 06645344908 Meine Artikel: https://bkftv.at/author/hu/ Schreiben Sie mir zum Thema Vertrauliche Kommunikation über: Threema ID hcclnoname: WUU3ZJJV Signal-Messenger oder persönliche Treffen: Face-to-Face |